Alles vorbei?

Fest zog er Mats in seine Arme, atmete den unverwechselbaren Duft ein. Einfach nur nah beieinander sein, für ihn da sein.
Kurz nagte er auf der Lippe, entschied sich dann aber doch für sie Wahrheit. 
"Müde, kaputt, ausgelaugt, erschöpft, blass, zerbrechlich, nervös, ängstlich", murmelte Benni leise und streckte die Hand nach Mats Wange aus, strich darüber und küsste ihn noch mal auf die Lippen.

Als Mats in Bennis Armen lag, konnte er förmlich hören, wie es hinter der Stirn seines Freundes arbeitete.
Dann rückte er aber doch mit der Wahrheit raus. Diesmal ließ Benni ihm aber keine Zeit, darauf zu reagieren, weil er Mats küsste. Der Dortmunder ließ sich in den Kuss fallen, schlang seine Arme um Benni.
"Wie ein Gespenst also..." Mats lächelte müde, ehe er nach der kleinen Schüssel griff. Er wollte wenigstens versuchen, ob er etwas runter bekam.

Benni verzog das Gesicht. So sollte Mats das nicht auffassen. "Du bist wunderschön", widersprach Benni und setzte sich aufrecht hin. Mats war toll, perfekt, sah gut aus, nett, liebevoll..
Wie sein Freund es tat, griff auch Benni nach der Brühe und löffelte die heiße Flüssigkeit runter. Sein Blick wanderte immer wieder zu Mats.

"Schon klar, Benni...", meinte Mats sarkastisch.
Wunderschön war er vielleicht morgen wieder, wenn er Glück hatte. Jetzt sah er einfach nur grauenvoll aus. Er hatte es vorhin ja selbst gesehen.
Die Brühe tat ziemlich gut, auch wenn sie Mats nicht wirklich satt machte. Aber immerhin wurde ihm auch nicht wieder übel davon, sodass er sie ganz auslöffelte und er die Schüssel danach wieder auf den Nachttisch stellte.
Schließlich legte Mats sich einfach nur wieder hin. Schlafen wäre jetzt wohl das Beste.

"Schön, das du meine Worte so ernst nimmst", murmelte er. Dabei versuchte er doch wirklich nur zu zeigen, das er immer, egal was sein sollte, für ihn da wäre. 
Nachdem er auch fertig war mit Essen, legte sich Benni zurück, ließ sich ins Kissen sinken und nahm Mats in den Arm, zog ihn nah an sich ran. 
"Ich mein das ernst. Keiner ist so schön und perfekt wie du", wiederholte er sich.

Nein, er wollte sich jetzt nicht mit Benni streiten. Deswegen hielt Mats jetzt einfach die Klappe, ließ sich stattdessen in den Arm nehmen.
"Bleibst du noch neben mir liegen, bis ich eingeschlafen bin?", fragte Mats. Es war wirklich noch früh am Abend und nur, weil er müde war, konnte er nicht verlangen, dass auch Benni neben ihm schlief.
Er hauchte seinem Freund einen kurzen Kuss auf die Lippen, ehe er seinen Kopf an gewohnter Stelle ablegte.

"Ja", hauchte er gegen die Lippen und schlang den Arm, fest und beschützend um Mats. "Weckst du mich, wenn was ist, es dir schlecht geht oder so", bat er im Gegenzug. Benni bezweifelte nämlich, das er jetzt nicht auch bald schlief. 
Klar, er könnte erst schlafen, wenn Mats es tat, aber müde war er trotzdem.

"Mach ich", murmelte Mats gähnend.
Er drehte sich nochmal kurz zur Seite, um das kleine Licht auszuschalten. Dann drängte er sich wieder dicht an Benni, legte einen Arm um seinen Bauch und schloss die Augen.
"Schlaf gut", wünschte Mats noch, bevor er nach nur wenigen Minuten einschlief.

Zufrieden lauschte er Mats Atem, war froh, das sein Freund schlief, es für den Moment ein bisschen besser war. Trotzdem lag Benni lange wach da, beobachtete den Dortmunder und strich unablässig durch die weiche Haare. 
Irgendwann übermannte aber auch ihn die Müdigkeit und Benni schlief ein.

Obwohl es Mats immer noch nicht ganz gut ging, schlief er relativ ruhig. Als er allerdings wach wurde, war es noch mitten in der Nacht. 
Ihm war schon wieder etwas flau im Magen. Deswegen löste er sich etwas von Benni, um noch einen Tablette zu nehmen. Der Tee war zwar schon kalt. Aber er erfüllte dennoch seinen Zweck.

Sein Traum war nur nicht ganz so schön wie erhofft. Immer wieder tauchten Bilder von Mats vor seinem inneren Auge auf. Ausgelaugt und völlig am Ende, so sah er aus. Weniger Haare, die dichten Locken wurden immer weniger und auch Mats Bild verblasste langsam. 
Bennis Atem wurde hektischer und er klammerte sich an das nächste, woran er kam, die Bettdecke, wie wenn er seinen Freund bei sich behalten wollte. Die Pupillen bewegten sich schnell umher unter seinen geschlossenen Lidern und immer mal wieder gab er leise, wimmernden Geräusche von sich.

Benni wurde zusehends unruhiger neben ihm, sodass Mats wieder weiter zu ihm rutschte. Sein Freund musste einen ziemlich Albtraum oder dergleichen haben. So erlebte Mats ihn nämlich normalerweise nicht. 
Sanft rüttelte er an den Schultern seines Freundes. "Hey Schatz, aufwachen...", versuchte Mats ihn zu wecken. 
Schließlich legte er seine Hand auf Bennis Faust, die sich fest um einen Zipfel der Bettdecke geschlossen hatte. "Benni, ich bin hier...alles ist gut..."

Durch eine leise, schön klingende Stimme und ein sanftes Rütteln wurde er aus diesem komischen Traum geholt. Benni blinzelte, orientierte sich und suchte den Raum hektisch nach Mats ab, bis die Stimme ganz zu ihm durch drang und die große, warme Hand seines Freundes auf seiner lag. 
Langsam löste er sie von der Decke und legte sie an Mats Wange, strich immer wieder darüber, wie wenn er testen würde, ob Mats noch da war. "Warum schläfst du nicht", fragte er dann irgendwann nach.

Zum Glückt wachte Benni relativ schnell auf, sodass Mats erleichtert ausatmete. 
Er legte seine Hand auf die seines Freundes und kuschelte sich dann wieder an den Älteren. 
"Mir war etwas flau im Magen...", gestand Mats. 
Aber er hätte Benni ja auch geweckt, wenn es nicht besser geworden wäre. Nur weil er wach geworden war, musste er seinen Freund ja nicht auch aus dem Schlaf reißen, was er ja gerade sowieso getan hatte.

Besorgt schaute er Mats an, der Traum war erst mal weit nach hinten gedrängt worden. "Hast du die Tablette genommen", fragte er nach und ließ sich wieder zurück ins Kissen sinken. 
Ganz fest umarmte er Mats, sodass sie sich gegenseitig fest hielten und sich aneinander kuschelten. 
"Wir sollten schlafen",murmelte Benni. Er musste ja schließlich ins Training. Hoffentlich ging es Mats dann so weit gut, das er beruhigt fahren konnte und sein Freund vielleicht sogar ausschlafen konnte.

"Ja, hab ich", nickte Mats sofort und bettete seinen Kopf auf Bennis Brust.
Er bezweifelte zwar, dass er sofort wieder einschlafen konnte, bejahte aber trotzdem. 
Als es schon eine Weile still war, fragte Mats jedoch in die Stille hinein: "Was hast du denn geträumt?"
Es interessierte ihn wirklich, was für Ängste Benni eventuell haben könnte. Im Schlaf verarbeitete das Unterbewusstsein ja die am Tag passierten Geschehnisse, hatte Mats irgendwo mal gelesen.

Mats so nah bei sich zu wissen und wieder im Arm zu halten war doch sehr beruhigend und angenehm. 
"Schlaf bitte", sagteBenni nur und vergrub sein Gesicht in den Locken seines Freundes, festigte den Gruff seiner Arme. 
Mats sollte sich nicht anhören müssen, was er träumte. Das tat ihm bestimmt auch nicht gut.

Benni wollte es ihm scheinbar nicht sagen, obwohl sie eigentlich abgemacht hatten, dass sie sich gegenseitig sagen würden, wenn etwas nicht stimmte.
Aber für den Moment war es auch okay. Es war spät und Benni musste morgen früh raus.
"Schlaf gut", wünschte Mats erneut und hoffte, dass es diesmal auch klappte.
Mit seinen Fingern tastete er nach der Hand seines Freundes, ehe er ihre Finger ineinander schob und erneut die Augen schloss.

Diesmal schlief er schneller ein, ließ Mats nicht mehr aus seinen Armen, hielt ihn fest. Sogar der Albtraum kam nicht wieder und so wachte er am nächsten Morgen trotzdem relativ wach und fit auf. 
Diesmal ließ er Mats schlafen, zog die Schlafzimmertüre hinter sich zu. Er zog sich auch im Badezimmer an, machte sich fertig ich aß eine Kleinigkeit. Mit einer vollgestopften Tasche verschwand Benni aus der Wohnung.

Mats hatte nur nebenbei bemerkt, dass Benni aufgestanden war. Er war einfach viel zu müde und wollte nur weiterschlafen. Allerdings hatte er schon noch damit gerechnet, dass sein Freund sich verabschieden würde. Deswegen zwang Mats sich irgendwann aufzustehen, obwohl er noch ziemlich erschöpft war.
Bevor er aus dem Zimmer wankte, vergaß er auf die Uhr zu sehen. Sonst hätte er an der Uhrzeit schon sehen können, dass Benni bereits mehrere Stunden weg war.
Dennoch lief Mats auf wackeligen Beinen die Treppe herunter. "Benni?", rief er.
Aber er bekam keine Antwort.
Dann war sein Freund wirklich schon weg. Und Mats' Handy lag leider noch oben. Er hangelte sich zum Sofa im Wohnzimmer und legte sich dann dort hin.
Zum Glück lag aber das Festnetztelefon auf dem Couchtisch. So konnte er Benni wenigstens eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen.

Hey Schatz...ich hätte mich heute Morgen gerne noch von dir verabschiedet...ich bin noch Zuhause...und da bleib ich heute auch wohl und werd nicht nach Dortmund fahren...rufst du mich in der Pause kurz an, bitte? Auf dem Festznetz...mein Handy liegt noch oben...liebe Grüße an deine Eltern und Jojo, falls sie auch da ist...bis später, ich liebe dich...

Benni war nicht sehr gesprächig heute im Training, aber das schien zum Glück niemanden zu stören und somit machte er einfach das Training durch.
Ziemlich schnell war er duschen gewesen und saß im Auto, auf dem Weg nach Haltern zu seinen Eltern. Erst jetzt hatte er Zeit, zu seinem Handy zu greifen und hörte die neue Nachricht auf seiner Mailbox ab. Gut hörte sich Mats überhaupt nicht an und Benni war kurz davor, nach Hause zu fahren. Trotzdem parkte er den Wagen vor seinem Elternhaus und rief Mats zurück, hoffte, das sein Freund abnahm.

Mats war einfach auf dem Sofa liegen geblieben, das Telefon noch in der Hand, und war wieder eingeschlafen.
Er hatte keine Ahnung, wie lang er geschlafen hatte, als das Telefon endlich klingelte. Sein Zeitgefühl war ihm vollständig abhanden gekommen.
Zum Glück zeigte das Display Bennis Nummer an, sonst wäre Mats wahrscheinlich gar nicht rangegangen.
"Hey", murmelte er in den Hörer. "Erstes Training überstanden?"

Es dauerte nicht lange, bis Mats abnahm, allerdings klang der Dortmunder wirklich total müde.
"Hallo mein Schatz. Ja, hat gut getan. Ich steh gerade in Haltern vor dem Haus. Tut mir Leid wegen heute Morgen, ich wollte dich nicht wecken, du hast so friedlich geschlafen", fing Benni an und schaute nach draußen, aber seine Eltern hatten sein Auto noch nicht bemerkt.
"Wie gehts dir, du hörst dich ziemlich müde an", fragte Benni nach.

Mats lächelte müde. "Ist schon okay...ich hab ja eh den halben Tag verschlafen", erklärte er. Das nächste Mal würde er aber wenigstens auf einen Abschiedskuss bestehen.
"Bin ich auch." Aber wenn er die meiste Zeit schlief, dann war Benni auch ganz schnell wieder bei ihm.
"Aber ich will dich auch gar nicht lange aufhalten", gähnte Mats. "Deine Eltern freuen sich bestimmt, dass du mal wieder reinschaust."

"Trotzdem, tut mir Leid", beharrte Benni weiter darauf. Aber solange Mats das lange Schlafen gut tat, war das ja eigentlich überhaupt kein Problem. "Ich beeile mich nach dem Training, okay. Bis später. Ich liebe dich", lächelte Benni und verabschiedete sich von Mats, legte auf und stieg aus dem Auto.
So langsam bekam er ein mulmiges Gefühl. Vor Ralf oder Neven war das ja kein Problem, sich zusammen zureißen und nicht zu zeigen, wie sehr die Krankheit ihm nahe ging, vorallem da Mats es ja offensichtlich genauso tat. Aber jetzt stand er hier vor der Türe un klingelte, könnte schon jetzt in Tränen ausbrechen, sich einfach in den Arm nehmen lassen, wieder das Kind zu sein. Vor Mats ging das nicht, er wollte seinen Freund ja auch nicht belasten, Mats ging es schon schlecht genug.
Benni war heilfroh, mit seiner Familie reden zu können, allerdings öffnete Jojo ihm die Türe und Benni fiel ihr sofort um den Hals, ließ die Tränen einfach laufen.

Jojo hatte eigentlich nur mal kurz Zuhause vorbeischauen wollen, machte sie eigentlich jeden zweiten Tag. Als sie dann die Tür öffnete, war sie positiv überrascht, ihren Bruder plötzlich in den Armen zu haben.
"Benni, wie schön, dass du uns mal wieder besuchst", freute sich Jojo, hielt aber sofort inne, weil sie merkte, dass irgendwas nicht stimmte. Sie kannte Benni. Normalerweise war er nicht so still. Deswegen zog sie ihn erstmal ins Haus und dort direkt in die Küche, in der auch ihre Mutter saß und Kaffee trank.
Auch sie war überrascht, sagte aber vorerst nichts, nachdem Jojo ihr einen vielsagenden Blick zu geworfen hatte.
Sanft bugsierte Jojo ihren Bruder auf einen Stuhl und setzte sich direkt neben ihn.
Erst jetzt sah sie, dass Benni weinte. Ihr großer Bruder weinte. Irgendwas musste da passiert sein.
"Willst du was trinken?", fragte Jojo mitfühlend und legte ihre Hand auf Bennis.

Jojo ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, aber Benni konnte jetzt auch gar nichts sagen. Deshalb ließ er sich einfach ins Haus ziehen und auf einen Stuhl drücken, vergrub das Gesicht sofort in seinen Händen. "Wasser", nuschelte er nur zurück, strich die Tränen weg und zog Beine so gut es ging mit auf die Sitzfläche des Stuhls. "Mats", sagte er nur leise und biss sich auf die Lippe. "Er...er hat...Leukämie", brachte er noch leiser über die Lippen, hielt krampfhaft die Tränen zurück.

Sofort stand Jojo auf und holte ein Glas Wasser, den sie vor Benni auf den Tisch stellte.
So fertig, wie ihr Bruder war, glaubte Jojo fast, dass Mats und er sich getrennt hatten. Als dann auch noch der Name des Dortmunders fiel, war sie sich sicher, dass Benni ihre Vermutung bestätigen würde.
Was dann allerdings kam, ließ Jojo fast das Atmen vergessen. Auch Angelika war sichtlich geschockt.
Aber Jojo sammelte sich schnell wieder, sodass sie ihren Bruder sofort in ihre Arme zog. "Das tut mir leid", murmelte sie, drückte Benni fest an sich.
Angelika stand wortlos auf und setzte Wasser für Tee auf.
Schließlich legte sie auch ihre Hand auf die Schulter ihres Sohnes. "Wie geht es ihm denn?"

Wortlos und mit den Nerven am Ende ließ er sich von Jojo abermals in die Arme ziehen. Zwar war sie seine kleine Schwester und Benni fand, das sollte eigentlich umgekehrt sein, das er sie in den Arm nahm, wenn es ihr schlecht ging, aber mit Jojo hatte er sich schon immer gut verstanden. 
"Den Umständen entsprechend gut, würde ich sagen. Gestern war die erste Chemo", murmelte er und trank einen Schluck, hielt das Glas fest in seinen Händen.

Als das Wasser kochte, hängte Angelika einige Beutel in die Teekanne und goss dann das Wasser hinein. Zusätzlich holte sie drei Tassen aus dem Schrank, stellte sie samt der Kanne auf den Tisch und setzte sich wieder.
Jojo löste sich derweil von ihrem Bruder, ließ aber einen Arm auf seinem Rücken liegen.
"Aber du machst dir Sorgen", stellte Angelika fest. Sie kannte ihren Sohn. Wenn die Krankheit positiv verlaufen würde, wäre er jetzt nicht so aufgelöst. Sie legte ihre Hand auf Benedikts Arm.