Alles vorbei?

Mats war richtig froh, dass seine Eltern nicht da waren. Seine Mutter würde ihn jetzt sonst ganz bestimmt belagern, was er gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte.
Als aber Benni mit einer Kanne und einer Wärmflasche ins Schlafzimmer kam, lächelte er leicht.
"Danke", murmelte Mats und schob sich die Wärmflasche auf den Bauch.
"Würdest du dich einen Moment zu mir legen?"

Fragend sah Benni seinen Verlobten an und lächelte dann, als dieser nur fragte, ob er sich dazu legen würde. "Kuschelst du dann mit mir", fragte er lieb nach und schlüpfte schon zu Mats unter die Decke. Benni legte dem anderen die Arme um den Körper und zog ihn an sich.

"Liebend gern", lächelte Mats und ließ sich bereitwillig an Benni ziehen.
"Danke, dass du immer da bist." Ein kleiner Kuss verirrte sich auf die Wange seines Verlobten.
Dann schloss er die Augen. Wenn Benni neben ihm lag, dann fühlte Mats sich direkt schon ein bisschen besser.
Jetzt im nachhinein betrachtet, war die Überlegung erst zu heiraten, sobald alles überstanden war, ziemlich daneben gewesen. Zumindest konnte sich Mats gerade nichts besseres wünschen, als in den Armen seines Verlobten zu liegen. In dem Punkt hatte sein Vater wirklich recht gehabt. Wozu warten?

Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. "Nicht dafür", widersprach Benni. Er war gerne für Mats da, er liebte ihn eben. "Mats", fragte Benni nach ein paar Minuten des Schweigens und zog seinen Verlobten noch enger an sich. "Jens kauft mir das nicht mehr lange ab." Benni musste mit Mats reden, sein Trainer war heute einfach zu skeptisch gewesen.

In den Minuten des Schweigens wäre Mats beinahe eingeschlafen. Aber dann schlug er überrascht die Augen auf.
"Ich dachte, das wäre geklärt...?" Wieso sollte Jens denn nicht glauben, dass Lisa krank war und Benni sie deswegen ins Krankenhaus begleitete?
"Aber bevor du Ärger hast, sag ihm bitte einfach die Wahrheit..." Falls Benni das überhaupt wollte.

Benni zuckte mit den Schultern. "Dachte ich auch. Willst du das überhaupt? Ich hab eben auch darüber nachgedacht, ob es nicht besser ist, Jens reinen Wein einzuschenken." Benni hatte da einfach ein besseres Gefühl mit, schließlich hatte Lisa ihn lange nicht mehr zu einer Veranstaltung begleitet, außerdem wollte Benni sie endlich mal "richtig frei geben". Sie hatte ja auch ein Recht darauf, zu leben.

"Ich will nicht, dass du wegen mir Ärger kriegst", erklärte Mats.
"Und wenn du Jens vertraust, dann tu ich das auch."
Er kannte den Schalker Trainer ja nicht. Aber, wenn Benni von ihm erzählt hatte, dann war es doch eher positiv gewesen.
"Ich würde auch wohl mitkommen, wenn du ihm das sagen willst. Aber wenn mich die Presse bei euch am Trainingsgelände sieht, dann...hab ich keine Ruhe mehr..."
Kurz lächelte Mats seinen Verlobten noch an, ehe ihm wieder wirklich übel wurde und er vorsichtshalber ins Bad ging.

Benni nickte leicht. "Jens wird uns das Leben nicht zur Hölle machen. Und dich muss man bei uns wirklich nicht unbedingt sehen. Nachher dichten sie dir noch irgendwelche Wechsel an", lachte Benni und drückte Mats einen Kuss auf die Wange.
Der konnte ihm dann allerdings nicht antworten und verließ das Zimmer. Womöglich ins Bad, sein Verlobter sah ziemlich blass aus. Benni stand sofort auf und lief Mats hinterher, fand ihn dann wirklich in besagtem Raum und strich ihm mitfühlend über den Rücken. Trotz der Medikamente war Mats schlecht und das bereitete Benni wirklich Sorgen.

Nachdem Mats sich im Bad übergeben hatte, richtete er sich langsam auf und ging auf wackeligen Beinen zum Waschbecken, um sich den Mund auszuspülen.
Wenn er es genau nahm, kam er mit der ständigen Müdigkeit, weswegen er überhaupt zum Arzt gegangen war, besser klar, als mit den Begleiterscheinungen der Chemo.
Müde lehnte Mats sich schließlich an seinen Verlobten. "Dann sag es ihm ruhig, wenn er dich dann immer noch freistellt..."

Benni strich Mats die Haare aus dem Gesicht und nahm ihn dann in den Arm. Wollte einfach nur zeigen, das er für ihn da war und sie das alles zusammen durchstehen würden.
"Er wird mich trotzdem noch freistellen und wenn nicht, dann verweiger ich das Trainieren. Mats, ich lass dich hier nicht alleine, okay", versprach Benni leise.

Mats ließ sich förmlich in die Umarmung fallen. Seine Knie waren auch ziemlich wackelig, sodass er allein das Gewicht vermutlich nicht mal gehalten hätte.
"Nicht, wenn du dann rausfliegst", widersprach er.
Er küsste seinen Verlobten kurz auf die Wange. "Lass uns zurück gehen, bitte."

Benni lachte leise. "Ich fliege nicht raus. Jens hat es doch jetzt auch immer erlaubt, warum sollte er da einen Unterschied machen, wenn er weiß, das du es bist und nicht Lisa." Benni würde es sich nicht verbieten lassen, seinen Verlobten zu unterstützen.
"Du solltest schlafen, du siehst müde aus", stimmte Benni zu und lief mit Mats ins Schlafzimmer, kuschelte sich mit ihm unter die Decke.

"Ich mein ja auch, wenn...wenn du das Training...verweigerst...", gähnte Mats und ließ sich dann von Benni zurück ins Schlafzimmer führen.
Er seufzte leise, als er wieder im Bett lag. Die Wärmflasche legte er sich ebenfalls wieder auf den Bauch.
"Ich lieb dich...", murmelte Mats träge. Die Augen fielen ihm dann ganz von allein zu und er schlief ein.

Benni hatte die ganze Nacht durchgeschlafen. Er hatte auch nicht mehr gemerkt, wie Mats' Familie heim gekommen war, wurde allerdings von den Stimmen wach. Benni stand auf, schlüpfte aus dem warmen Bett und zog sich Jeans und Shirt an. Er musste sowieso zum Training, heute zum Glück etwas später und Mats sollte weiterschlafen. "Guten Morgen",begrüßte Benni die Familie Hummels, allesamt schon wach. Ulla schob ihn auch gleich zu einem Stuhl, hatte mal wieder ein leckeres Frühstück auf den Tisch gezaubert. "Wie geht es Mats", durchbrach Hermann die Stille und Benni schaute auf. "Er schläft noch." Mehr brauchte er nicht sagen und bevor Mats nicht aufgestanden war, wusste er das auch nicht.

Mats hatte einigermaßen gut geschlafen. Nur einmal hatte er nachts aufstehen müssen, weil die Übelkeit ihn mal wieder überkommen hatte. Aber Benni war zum Glück nicht wach geworden. Vorm Training brauchte er auch seinen Schlaf.
Aber kaum hatte Mats wieder im Bett gelegen, war er sofort wieder eingeschlafen.
Als er dann das nächste Mal aufwachte, lag Benni schon nicht mehr neben ihm. Allerdings war er zu faul und zu träge, um auf den Wecker zu sehen. Müde schlug Mats die Decke zur Seite, hüllte sich in seinen Morgenmantel und ging langsam die Treppe hinunter. Richtig fit war er nicht wirklich. Aber er wollte sich wenigstens von Benni verabschieden, falls er nicht eh schon weg war.

Benni hörte ziemlich schnell die Treppe und wusste genau, das Mats jetzt die Treppe herunter ging.
Er selbst hatte schon fertig gegessen und musste bald schon los. "Du bist ja schon wach", stellte Benni fest, als Mats in den Raum kam und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, als er sich neben ihn setzte.

"Morgen", murmelte Mats erstmal gähnend. 
"Ich wollte dich wenigstens noch mal sehen, bevor du weg bist."
Er lehnte seinen Kopf an Bennis Schulter und schloss die Augen. Seine Familie hatte er ausgeblendet. Mit der konnte er sich auch noch beschäftigen, wenn sein Verlobter beim Training war.

Benni tastete nach Mats Hand und schob seine Finger dazwischen. "Ich kann auch hier bleiben", bot Benni an. Mats hörte sich um einiges geschaffter an, als beim letzten Mal. Sah müder und schlapper aus und das beunruhigte Benni.

Kurz lächelte Mats und drückte Bennis Hand ein wenig, was sein Verlobter vermutlich nicht mal merkte, weil er gerade nicht so viel Kraft hatte. 
"Nein, ich will nicht, dass du Ärger kriegst. Außerdem bin ich ja nicht allein hier."
Mit seinem Daumen strich er über Bennis Handrücken. "Hast du heute zwei Mal Training?"

Benni wollte schon etwas dagegen sagen, da unterbrach Jonas sie in ihrer schönen Zweisamkeit. "Wir passen auf deinen Schatz auf, Benni. Geh zum Training, wir machen das schon", grinste Jonas. Benni nickte leicht. Da musste er Mats' Familie einfach vertrauen. Hermann und Ulla wollten am Mittag in die Stadt, aber zumindest Jonas war immer da.
"2 Einheiten. Aber ich komm in der Pause nach Hause." So lange würde Benni es sonst nicht aushalten. "Ich liebe dich, bis später", hauchte Benni und drückte Mats einen Kuss auf die Lippen.

Mats lächelte leicht, als Jonas ihn in seiner Meinung bestärkte. Sie würden das hier schon schaffen. Natürlich hätte er Benni gern bei sich. Aber es ging eben auch um seinen Job und Jens traute dem ganzen ja sowieso schon nicht.
"Okay, ich freu mich", erwiderte Mats den Kuss und fuhr seinem Verlobten noch kurz durchs Haar.
"Red mit Jens, ja?"

"Versprochen", nickte Benni und machte sich dann auch den Weg nach Gelsenkirchen. Das Training war früher zu Ende, als gedacht, aber für einige stand noch ein Interview an und Jens hielt ihn auch gleich auf. Benni sollte duschen und dann in sein Büro kommen. Also verschwand Benni in der Kabine und klopfte dann mit einem mulmigen Gefühl im Bauch an die Türe, trat zu Jens ins Büro. "Was gibt's denn?"

Kaum hörte Mats die Wohnungstür ins Schloss fallen, stand er auf und ging wieder nach oben ins Schlafzimmer, um sich hinzulegen. Hunger hatte er sowieso nicht. Ihm wurde er wieder übel, wenn er nur an Essen dachte. Zum Glück ließ ihn seine Familie einfach machen. Besonders Ulla rechnete er es hoch an, dass sie ihn nicht bemutterte.

Jens hatte extra bis nach dem ersten Training gewartet, um Benni um ein Gespräch zu bitten. "Setz dich doch", deutete er auf einen Stuhl.
"Ich wollte mal nachfragen, wie es deiner Freundin geht."
Zugegeben war es nicht fair, dass er seinen Kapitän jetzt so auf die Probe stellte. Aber Jens wollte ihm die Chance geben, die Sache selbst aufzuklären.

Benni saß ziemlich perplex auf dem Stuhl. Jens hatte ihn gebeten, sich zu setzen. Er hatte ja wirklich schon mit dem Schlimmsten gerechnet, aber das er nur wissen wollte, wie es Lisa ging, das erstaunte Benni.
Nachdem er sich wieder gefangen hatte war Benni dann auch zu einer Antwort bereit. "Den Umständen entsprechend ist es okay. Gestern war die zweite Chemo, das hat doch ganz schön reingehauen, aber es wird schon", meinte Benni.

Schade, die Antwort enttäuschte Jens ziemlich, weswegen er kurz den Kopf senkte, ehe er Benedikt erzählte, was Sache war.
"Ich muss zugeben, dass mich das ein bisschen wundert. Wenn ich mich nämlich nicht völlig irre, hab ich sie gestern Händchen haltend mit einem anderen Mann auf der Kö spazieren sehen. Dafür, dass sie angeblich eine Chemo hinter sich hatte, sah sie ziemlich gut aus."

Benni starrte seinen Trainer mit offenem Mund an. Konnte gar nicht glauben, was hier gerade passierte. Lisa hatte ihm gar nichts erzählt, sie hätte ihn doch anrufen können. Dann hätte sein Berater gleich etwas von einer Trennung bekannt gegeben.
Mehrmals räusperte Benni sich, suchte nach den richtigen Worten. Viel kam da aber auch nicht heraus. Das Jens seine Geschichte mehr oder weniger durchschaut hatte, brachte Benni ganz schön aus der Bahn.
"Es tut mir Leid. Ich hätte dir von Anfang an die Wahrheit sagen sollen. Wir sind nicht mehr zusammen, Lisa und ich. Schon eine ganze Weile nicht mehr, sie spielt nur meine Alibifreundin", räumte Benni leise und zerknirscht ein. "Das mit der Chemo stimmt allerdings."

Jens' Einwand brachte Benedikt scheinbar ziemlich durcheinander. Aber damit hatte er schon irgendwie gerechnet. Und in gewisser Weise geschah ihm das auch ganz recht.
Immerhin kam nun die Wahrheit auf den Tisch, wenn auch wohl nicht die ganze. Zumindest bis jetzt. So würde Jens das zumindest nicht stehen lassen.
"Du bist aber nicht krank, oder?" Das bezweifelte er irgendwie. Hätte Benedikt gestern eine Chemo gehabt, würde er heute wohl kaum so topfit vor ihm stehen. "Und wofür brauchst du eine Alibifreundin? Ich möchte jetzt die ganze Wahrheit hören. Ich kann das so nicht tolerieren, beim besten Willen nicht."

Benni schüttelte gleich den Kopf. Nein, das war er nicht, aber er würde das sofort auf sich nehmen, um Mats nicht mehr so leiden zu sehen. Benni kaute nervös auf seiner Lippe und stand dann schließlich auf, musste sich bewegen. Ihm behagte das nicht ganz, Jens alles zu erzählen. "Ich ... das ist nicht so einfach. Ich bin schwul ... und ... lebe seit 2 Jahren in einer Beziehung, deswegen die Alibifreundin. Kommt im Fußball nicht so gut und ich wollte den Fragen entgehen. Vor ein paar Wochen wurde bei meinem Freund dann Leukämie diagnostiziert", fing Benni an zu erzählen, schluckte und knetete seine Finger.

"Oh!", war erstmal Jens' Antwort. Damit hatte er im Leben nicht gerechnet.
Gedanklich hätte er Benedikt nämlich schon fast unterstellt, dass er sich die Geschichte nur ausgedacht hatte, im ein paar freie Stunden mehr zu bekommen. Zumindest nachdem er Lisa gestern gesehen hatte.
"Das tut mir echt leid, Benedikt, wirklich. Aber mit mir kann man doch reden...!"
Jens war sich zumindest nicht bewusst, dass er sich jemals homophob geäußert hätte. Denn das war er definitiv nicht.

Benni zuckte mit den Schultern. "Die Angst ist trotzdem da, das man mit einem Outing im Verein aneckt, der Vorstand einen nicht mehr will. Deswegen hab ich das lieber für mich behalten." Benni wollte Jens das jetzt wenigstens ordentlich erklären. "Mein Freund spielt selbst Fußball. Das ist eben auch nicht leicht, zuzusehen wie ihn das belastet, das er nicht mehr spielen kann. Ob er überhaupt wieder spielen kann.." und den Krebs besiegt, fügte Benni in Gedanken an. Verstohlen wischte er sich über die Augen. "Kann ich ihn trotzdem weiter zur Chemo begleiten?" Fragend sah Benni Jens jetzt an.