Alles vorbei?

"Nein, das hätte ich dir gesagt", meinte Benni. Aber Mats Eltern würden noch früh genug bei ihnen anrufen und vorbei kommen. "Ist es okay, wenn ich morgen nach dem Training in Haltern vorbei schau und es meiner Familie mal erzähle", fragte er nach. Sein Vater würde sich nämlich sonst auch noch melden und fragen, wie es Mats gehen würde, wenn die offizielle Begründung raus war.

Überrascht sah Mats seinen Freund an.
"Ich dachte eigentlich eh, dass du es ihnen schon längst gesagt hast", gab er zu.
"Aber natürlich...ist okay."
Bennis Familie gab ihm da bestimmt auch noch mal Halt, wenn es drauf ankam. Aber auch so. Besonders zu Jojo hatte Benni ja einen guten Draht.

"Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen und das kann ich ja eigentlich persönlich machen." Schließlich wohnten seine Eltern nicht so weit weg, wie die von Familie von Mats.
"Pass auf, meine Mutter steht vor der Türe, wenn ich Training hab und dann will sie dir erstmal was anständiges kochen", lachte Benni. Zumindest würde das super zu seiner Mutter passen.

"Davon werd ich sie bestimmt nicht abhalten", lachte Mats ebenfalls.
Bennis Mutter war eine supergute Köchin und, wenn sie das Essen machte, schmeckte es fast wie bei ihm Zuhause.
Mit Bennis Familie hatte Mats sich eh schon immer gut verstanden. Selbst, als sie noch gar kein Paar gewesen waren.

"Gut, dann muss ich sie also nicht aufhalten und sie kann mal vorbei kommen", schmunzelte er.
"Sollen wir langsam mal los", fragte er nach. Schließlich saßen sie jetzt schon eine Weile hier beim Essen und sie mussten ja noch nach Essen fahren.

"Nein, musst du nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie wirklich nur für mich kochen will", erklärte Mats.
Sie waren beide fertig mit dem Essen. Aber dennoch wollte Mats nicht wirklich los.
"Nein, eigentlich nicht", murmelte er deshalb.

Benni seufzte. Mats hatte Angst, zumindest kam das bei ihm so an und diese Angst war nicht gerade gering, was absolut verständlich war. Benni schob seinen Stuhl zurück, stand auf und ging vor Mats in die Hocke, legte seine Arme auf den Beinen seines Freundes ab und griff nach beiden Händen des anderen.
"Mats", fing er an und drückte die Hände, lächelte. "Schau mich an", bat er. "Wir schaffen das zusammen, du bist nicht alleine, ich bin da, die ganze Zeit. Ich lass dich nicht alleine, wir stehen das durch", versprach er und drückte einen Kuss auf den linken Handrücken.

Natürlich merkte Benni, dass Mats Angst hatte. Aber wen wunderte das? Andersherum wäre es vermutlich nicht anders.
Mats Lächeln verrutschte ziemlich, als sein Freund vor ihm in die Hocke ging. Leicht erwiderte er den Händedruck, kam Bennis Bitte aber nach.
"Ich weiß...ich...", seufzte Mats. "Ich hab aber trotzdem Schiss..."
Vermutlich sollte er sich nicht jetzt schon so hängen lassen. Aber er hatte so gar keine Ahnung, was auf ihn zukommen würde.

"Komm her", bat er und zog Mats auf die Beine in eine feste Umarmung. Er wollte seinen Freund nicht so sehen, er kannte Mats so nicht. Nicht einmal nach Verletzungen war er so fertig und Benni machte das irgendwie Angst, er wusste nicht genau, wie er ihn aufheitern sollte.
"Das ist verständlich, du darfst auch Angst haben, aber wir schaffen das zusammen, Mats. Versprochen, ich bin die ganze Zeit bei dir, ich lass dich da nicht alleine hin", redete er weiter gegen Mats Ohr.

Bereitwillig ließ sich Mats auf die Beine ziehen. Beinahe wie ein Ertrinkender klammerte er sich an seinem Freund fest. Die Umarmung tat ihm unglaublich gut und er schloss für einen Moment die Augen.
"Danke", murmelte der Dortmunder nur als Erwiderung, drückte Benni dann einen Kuss auf die Wange.

"Nicht dafür. Ich bin da, für immer, okay", gaber zurück und hielt Mats weiterhin fest, strich ihm über den Rücken und durch die Haare. Benni wusste, das er der einzige war, der das durfte und hoffte, das er so Mats beruhigen konnte.
"Wir müssen los."

Mats nickte und genoss noch kurz das Gefühl von Bennis Hand in seinen Haaren.
"Ja, bevor ich es mir noch mal anders überlege..."
Schließlich löste er sich von seinem Freund, küsste Benni aber noch mal kurz.
Das dreckige Geschirr konnten sie später noch wegräumen, sodass mats direkt in den Flur ging und sich die Schuhe und Jacke anzog.

Benni legte die Hände an Mats Wangen, strich darüber und erwiderte den Kuss, bevor sie zusammen in den Flur ging und sich anzogen. Benni hatte im Auto schon was zum Lesen für sie beide liegen und den Ipod plus Kopfhörer dabei. Schließlich dauerte die Chemo ja eine Weile, sie mussten das nicht lesen, aber falls ihnen danach sein sollten, hatten sie etwas dabei. Und schon fuhren sie in Richtung Krankenhaus.

Die ganze Fahrt über verhielt sich Mats relativ ruhig. Nur je näher sie Essen kamen, desto nervöser wurde er.
Seit der Autobahnabfahrt hatte er sich am Türgriff festgekrallt und blieb dann auch erstmal sitzen, als Benni auf den Parkplatz fuhr.
Kurz schloss Mats die Augen, um einen Moment tief durchzuatmen.
Nach einem absichernden Blick zu Benni stieg er dann auch aus.

Sie schwiegen die Fahrt über. Benni wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, wie er Mats aufheitern oder ablenken konnte. Er lächelte nur und stieg aus, Mats folgte ihm.
Vom Arzt wurden sie schon angefangen, wurden in einen Behandlungsraum geschickt. Der Arzt erklärte ihnen, wie hoch die Dosis sein sollte und wie lange sie hier sitzen würden. Sie durften alleine im Zimmer bleiben, wollten ja auch keine Aufmerksamkeit verursachen und "unerkannt" bleiben.

Im Krankenhaus wurden sie direkt in einen leeres Behandlungszimmer geführt.
Mats sollte auf der Liege Platz nehmen. Daneben stand bereits ein Tropf.
"Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Haarausfall...", zählte der Arzt auf, woraufhin Mats nur nickte.
Jubelschreie würde er hier sicher keine veranstalten.
"Wenn der Tropf durchgelaufen ist, bleiben Sie noch solange liegen, wie Sie möchten. Es wird vermutlich einen Moment dauern, bis Sie sich wieder besser fühlen."

Benni setzte sich mit einem Stuhl neben seinen Freund. Ihm waren die Nebenwirkungen egal, das wusste Mats. Solange der andere gesund werden würde, war alles andere egal.
Die Arzthelferin legte den Zugang und schloss den Tropf an. Benni griff sofort nach der anderen Hand von Mats und fing einfach an, beruhigend über den Arm zu streichen.Hoffentlich hatte Mats keine Schmerzen.

"Wir lassen Sie dann allein. Sollte irgendwas sein, drücken Sie einfach den Knopf."
Mats nickte nur und drückte Bennis Hand fest.
Dann waren die Schwester und der Arzt auch wieder verschwunden.
Mit einem schiefen Lächeln sah er seinen Freund an.
Ihm lag gerade ein wirklich blöder Spruch auf den Lippen. Aber der war nicht wirklich angemessen und Benni würde ihn auch sicher nicht lustig finden, deswegen verkniff Mats es sich einfach.
"Gut, dass du heute nicht mehr weg musst...", sagte er stattdessen, damit es nicht mehr so ruhig war.

Mats sah ein bisschen aus, wie wenn er was sagen wollte, blieb aber erstmal ruhig. Sprach dann doch. Ob es das war, woran er auch gedacht hatte? Aber gut, das konnte Benni nicht sagen.
Benni streckte sich lächelnd zu seinem Freund und küsste Mats sanft. "Hab doch gesagt, ich bleib bei dir", nuschelte er dagegen und rutschte mit dem Stuhl so weit nach hinten, das er den Kopf auf der Liege ablegen konnte, spielte weiter mit den Fingern seines Freundes.

Mats erwiderte den Kuss nur allzu gerne.
"Ja, ich weiß. Ich wollte es nur noch mal sagen..." Hätte Mats allein hier hin gemusst, würde er wahrscheinlich noch auf dem Parkplatz im Auto sitzen oder wäre schon wieder auf dem Rückweg.
"Wann hast du morgen denn Training?"

Benni lachte leise. Mats war zu gut für die Welt, bedankte sich einfach viel zu oft für selbstverständliche Dinge. Aber er war das ja gewohnt von seinem Freund.
"Um 10 und um 15 Uhr noch mal", überlegte Benni. "Willst du morgen nach Dortmund, zu schauen", fragte er nach.

Mats nickte. Gut, dann wusste er schon mal Bescheid.
"Ich weiß es noch nicht", entgegnete er sofort. "Ich werd erstmal gucken, wie es mir geht."
Das konnte er ja jetzt noch nicht vorhersagen, obwohl er sich natürlich wünschte, dass es ihm blendend gehen würde. Aber das bezweifelte Mats wirklich.
Er würde es also spontan entscheiden, ob er nach Dortmund fuhr.
"Fährst du dann zwischen den beiden Einheiten nach Haltern oder erst nach der zweiten?"
Er hätte Benni gern so schnell wie möglich wieder bei sich, das wusste er jetzt schon. Aber er wollte auch nicht die ganzen Pläne seines Freundes zunichte machen.

Gut, das war verständlich. Aber er hoffte für Mats, das es ihm gut ging und er vielleicht zuschauen konnte und nicht zu Hause sitzen müsste.
"Hab ich mir noch nicht überlegt. Entweder ich komm in der Mittagspause heim und fahr dann nach der zweiten Einheit zu meinen Eltern oder ich geh in der Mittagspause zu ihnen und komm Nachmittags gleich heim", erklärte er. Darüber hatte er aber noch nicht nachgedacht, hätte das ganz spontan entschieden.
"Wie hättest es du denn gern", fragte er lächelnd nach. Benni würde sich schon gerne nach Mats Wunsch richten.

Da Mats nicht davon ausging, dass er morgen wie das blühende Leben durch die Gegend springen würde, hätte er Benni gern direkt nach dem Training wieder bei sich.
"Ich will dir aber nicht reinreden...allerdings fände ich es schon gut, wenn wir was vom Abend hätten", lächelte er.

"Ich hätte dich nicht gefragt, wenn ich deine Meinung nicht wissen wollte", schmunzelte er. Benni wollte es Mats einfach so angenehm wie möglich machen in dieser Therapiezeit.
"Dann geh ich in der Mittagspause zu meinen Eltern, schlag mir da den Bauch voll, das ich mehr übers Feld roll als irgendwas anderes und komm dann nach der zweiten Einheit nach Hause"; grinste er jetzt.

"Hm ja...", konnte Mats nicht verhindern, dass er ein wenig rot wurde. Allerdings konnte er nicht immer damit rechnen, dass Benni jederzeit bei ihm sein konnte.
"Aber ich freu mich drauf. Vielleicht kann ich Ralf anheuern, dass er ein Video davon macht, wie du über das Feld rollst."
Mats lachte leise.
Dann lehnte er sich zurück, weil er jetzt merkte, wie ihm übel wurde.

"Schau nicht so. Mats, du bist mir wichtig und ich will das es dir gut geht. Und wenn du gerne den Abend mit mir verbringen willst, dann machen wir das auch", seufzte Benni und drückte Mats Hand entschieden.
"Bloß nicht, bitte nicht", wehrte er sich lachend und schaute zu Mats. Dessen Gesicht wurde ganz blass und er sah total neben der Spur aus. 
"Schatz, hey. Was ist los",fragte Benni leicht panisch und schaute deb anderen eindringlich an.

"Okay...verstanden", nickte Mats murmelnd. Er konnte Benni ja verstehen. Er würde nicht anders reagieren, würden sie in umgekehrter Reihenfolge stecken. Tag und Nacht würde er sich für Benni freischaufeln, wenn es nur irgend möglich war.
"Mir ist schlecht", brachte er unter Mühe hervor, lehnte den Kopf zur Seite und schloss kurz die Augen.
Mats atmete etwas flacher, um die Übelkeit vielleicht in den Griff zu bekommen. Aber es half alles nichts.

Er bezweifelte zwar, das Mats es so hin nahm, das es jetzt einfach nichts wichtigeres als ihnen gab und ihre Freunde dann eben zurückstecken mussten, aber Benni würde eben alles für seinen Freund tun.
Die Schüssel stand griffbereit genau neben ihnen. Viel konnte er nicht tun. Aber vielleicht sollten sie den Arzt fragen, ob es dagegen auch Tabletten gab, deswegen drückte Benni einfach mal den Knopf und strich Mats immer wieder über den Rücken, hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe.

Mats hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass die Nebenwirkungen so schnell anschlagen würden. Aber da hatte er sich wohl geirrt.
Als er sich übergeben musste, drehte er sich extra ein Stück von Benni weg. Sein Freund sollte das nicht unbedingt sehen, auch wenn er dagegen sicher wieder protestieren würde.
Schließlich stand kurze Zeit später eine Schwester im Raum. Mats hatte gar nicht mitbekommen, dass Benni den Knopf gedrückt hatte.